Die Diesdorfer Kirche, einst und heute

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Die evangelische Kirche St. Eustachius und Agathe steht am Nordwestrand des historischen Kerns des Bördedorfs Diesdorf (1926 nach Magdeburg eingemeindet). Diesdorf ist erstmals im Jahre 937 urkundlich fassbar, als es Otto I. dem Magdeburger Moritzkloster (später Dom) schenkte.
1350 wurde unsere mittlerweile entstandene Pfarrei dem Kloster St. Johannes der Täufer auf dem Berge, „Kloster Berge“ genannt, inkorporiert, wiewohl ein neuer Pfarrer auch im 16. Jahrhundert noch zunächst dem Thesaurarius (Schatzmeister) des Domes präsentiert werden musste. Kloster Berge war eine bedeutende Benediktinerabtei zwischen Magdeburg und Buckau (in etwa dort, wo heute das Gesellschaftshaus steht), die sich 1565 in ein protestantisches Stift umwandelte und als evangelische Klosterschule bis Anfang des 19. Jahrhunderts bestand.

Ihren ersten evangelischen Pfarrer erhielt die Diesdorfer Gemeinde 1552.

Ältester Teil der Pfarrkirche St. Eustachius und Agathe ist der breite spätromanische Westturm aus Feldsteinen (um 1200). Allerdings wurden die Rundfenster erst 1832-34 hineingebrochen, als man ihn erhöhte und das Glockengeschoss aufsetzte. Das romanische Kirchenschiff muss tiefer gelegen haben als der heutige gotische Kirchsaal mit seinem dreiseitigen Ostabschluss aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Der bis in die 1960er Jahre vorhandene Hochaltar soll die Jahreszahl 1363 aufgewiesen haben. Ursprünglich erhielt der Kirchsaal sein Licht durch je sechs schlanke, stumpfe, spitzbogige Fenster auf der Nord- und Südseite sowie drei weitere im Chor; letztere wurden bereits im 15. Jahrhundert vergrößert. Eines der Fenster aus dem 14. Jh. hat sich, wenn auch vermauert, gut sichtbar über dem spätgotischen, stabwerkgerahmten Schulterbogenportal zur nördlich gelegenen Sakristei erhalten.

Besagte Sakristei wurde, mit Kreuzrippengewölbe versehen, Ende des 15. Jahrhunderts angebaut. Bauzeitlich ist ein astwerkgerahmter Wandschrank. Zwei Stifterscheiben von 1655 und 1680 in den Sakristeifenstern zeugen vom Wiederaufbauwillen nach dem 30jährigen Krieg. Diesen hatte die Kirche als einziges Gebäude Diesdorfs überstanden, wenn auch beschädigt und geplündert.
Von außen ist in die Nordostecke der Sakristei ein spätgotisches Steinrelief eingebaut, das zwei Bauern bei der Schlachtung eines Schweins zeigt. Was diese Szene aus dem Alltagsleben hier zu bedeuten hat, ist nicht geklärt; denkbar wäre, dass es sich um ein Sühnemal für ein Vergehen lokaler Bauern handelt, der Bau der Sakristei eventuell ein Sühneopfer. Am Giebel der Sakristei befindet sich zudem eine kleine reliefierte Darstellung des Kirchenpatrons Eustachius sowie an der Westwand des Turmes eine bereits stark verwitterte Kreuzigung Christi von 1497.

1697 wurde eine barockisierende Instandsetzung der Kirche unter Simon Friedrich Wolffhardt, Abt des Klosters Berge, abgeschlossen, die das äußere Erscheinungsbild der Kirche bis heute prägt. Engel präsentieren das Wappen des Abtes über dem Eingang zur Vorhalle, Inschriften an der Choraußenwand und im Gewände des südwestlichen Langhausfensters (auf Höhe der Empore) memorieren den Umbau. Der Grabstein des damaligen Pfarrers, Johannis Franz (1648-1709), steht an der Chorsüdwand hinter der Kanzel.
Aus der Zeit dieses Umbaus stammt auch das heute auf der Empore an der Nordwand hängende ehemalige Hochaltarbild, eine allegorische Darstellung der Kreuzigung Christi, das dem Magdeburger Maler Johannes Georg Aberkunk zugeschrieben wird. Unter dem Kreuz Christi stehen zwei Menschengruppen, im Vordergrund der Gruppe zu seiner Rechten Mose, Johannes der Täufer, David und Jesaja, zu seiner Linken zunächst der gute, da Gottes Sohn erkennende Hauptmann, daneben u.a. Maria, Petrus sowie weitere Apostel. Allerdings zierte dieses Bild den Hochaltar nur bis 1723, als man an seiner Stelle eine Renaissance-Kanzel einfügte. Erst nachdem diese in den 1950er auf Grund von größeren Schäden herausgebrochen war, kehrte das Bild noch einmal an seinen Ursprungsplatz zurück. Das kleine Bild darüber zeigte einst den Auferstandenen auf Tod und Teufel tretend.

Leider waren Altar, Kanzel, Taufe, Gestühl sowie die im Barock eingebauten seitlichen Emporen, die zuletzt Kartuschen mit Bibelsprüchen aus dem 19. Jahrhundert zierten, in den 1960er Jahren derart durch Wurmfraß angegriffen, dass man sich entschloss, sie vollständig zu entfernen. Eine unter die gotische Holzbalkendecke gehängte flache Barockdecke muss bereits im 19. Jahrhundert wieder abgenommen worden sein. Nur ein paar alte Fotos zeugen noch von der einstmals reichen Ausstattung. Ein ganz ähnlicher Hochaltaraufsatz von 1681 steht übrigens in der evangelischen Kirche zu Körbelitz (Kr. Jerichower Land). Weitere Gemälde von Johann Georg Aberkunk zieren die Hochaltäre der Stadtkirche von Egeln sowie St. Peter und Paul im Diesdorf benachbarten Niederndodeleben.

Heute wird das Kircheninnere vor allem durch die 1967 aus Eschenholz in der Magdeburger Zimmerei Ebeling gefertigte Altarraumausstattung, den in den 1990er Jahren verlegten Fliesenboden, die Raumfassung von 2014 und die Glasfenster nach Entwürfen Wilhelm Ritterbachs (1884-1952) aus dem Jahr 1946 bzw. 1947 geprägt. In den Chorfenster sind die beiden Kirchenpatrone zu sehen, der hl. Eustachius und die hl. Agathe, sowie - über dem Hochaltar - das Auge Gottes im Dreieck, Symbol für die Trinität. Südwestlich schließt sich eine Darstellung von Jesu Geburt an. Die beiden Fenster der Vorhalle, in der auch Tafeln zum Gedenken an die im Ersten Weltkrieg verstorbenen Diesdorfer angebracht sind, zeigen ein Brustbild des Weltenrichters beziehungsweise ein Symbol für die Erlösung der Gefangenen Zions (Psalm 126) mit den Jahreszahlen 1914 und 1946. Die Fenster der Diesdorfer Kirche sind ein Denkmal gelebter Ökumene, beteiligte sich an deren Finanzierung doch seinerzeit auch die katholische Kirche, da die Diesdorfer Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen Zerstörungen und den zahlreich zugezogenen Vertriebenen die simultane Nutzung ihres Gotteshauses erlaubte.

Besonderes Glanzstück der Diesdorfer Kirche ist die im Zuge einer grundlegenden Kirchensanierung 2013/2014 durch die Orgelbaufirma Sauer (Frankfurt/O.) nach Jahren des Schweigens wiederbelebte Orgel auf der als Rudiment erhaltenen Hufeisenempore im Westen.